Am 1. August 2018 hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Steueränderungsgesetz verabschiedet, das bis dahin noch als "Jahressteuergesetz 2018" konzipiert war. Die Intention bleibt, denn ein weiteres großes Steueränderungsgesetz ist vor dem Jahresende kaum zu erwarten, doch das Gesetz hat in der aktuellen Fassung einen neuen Namen bekommen und heißt jetzt "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften".
Gegenüber dem ersten Entwurf für das Gesetz ist im Regierungsentwurf vor allem die steuerliche Begünstigung von Elektro-Firmenwagen ergänzt worden. Daneben enthält das Gesetz Änderungen bei der Umsatzsteuer für Online-Händler und eine verfassungskonforme Regelung des Verlustabzugs nach dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die Änderungen im Umsatzsteuerrecht sind die ersten Maßnahmen aus dem Paket zur Reform des EU-Mehrwertsteuersystems, auf das sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU Ende 2017 verständigt hatten. Alle wichtigen Änderungen sind hier zusammengefasst.
Elektro-Firmenwagen: Im Koalitionsvertrag hatte sich die Große Koalition auf eine Steuerbegünstigung von Firmenwagen mit Elektroantrieb festgelegt. Diese Änderung fehlte im ersten Entwurf des Jahressteuergesetzes 2018 und wurde nun ergänzt. Geplant ist eine Halbierung der Bemessungsgrundlage bei der pauschalen Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der Nutzung eines Firmenwagens. Statt 1 % des Listenpreises sind für Elektro- und Hybridfahrzeuge, die zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2021 angeschafft oder geleast werden, also monatlich nur 0,5 % des Listenpreises für die Privatnutzung zu versteuern. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit fallen entsprechend nur 0,015 % pro Monat und Entfernungskilometer an statt 0,03 %.
Die Begünstigung ist nicht nur finanziell attraktiv, sondern kann für Elektro-Firmenwagen auch das Führen von Fahrtenbüchern obsolet machen, weil die pauschale Versteuerung günstiger ist. Mit Fahrtenbuch werden Autos mit Elektroantrieb zwar auch begünstigt, aber nur soweit es die Abschreibung auf den Kaufpreis oder die Leasingkosten angeht, nicht bei anderen Ausgaben fürs Fahrzeug. Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub Deutschland wünscht sich zudem, dass die Halbierung des geldwerten Vorteils auch für Dienstfahrräder gilt, was bisher jedoch nicht geplant ist. Für Firmenwagen, die außerhalb dem begünstigten Zeitraum angeschafft oder geleast werden, gibt es weiterhin den bereits bestehenden Nachteilsausgleich für den Anteil, den das Batteriesystem am Kaufpreis hat.
Gutscheine: Bis Ende 2018 muss die EU-Gutschein-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Das soll eine einheitliche umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen im europäischen Binnenmarkt gewährleisten. Bei Gutscheinen wurde bisher zwischen Wertgutscheinen und Waren- oder Sachgutscheinen unterschieden. Während Wertgutscheine gegen eine beliebige Ware oder Dienstleistung eingetauscht werden können, beziehen sich Waren- und Sachgutscheine auf eine konkrete Ware oder Dienstleistung. Die Ausgabe eines Wertgutscheins wurde bislang lediglich als Tausch von Zahlungsmitteln behandelt und war damit selbst keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinn. Die Umsatzsteuer entstand erst bei der Einlösung des Gutscheins. Bei Waren- oder Sachgutscheinen gilt die im Gutschein bezeichnete Leistung dagegen bereits bei Ausgabe des Gutscheins als erbracht. Daher ist der bei Kauf eines Warengutscheins gezahlte Betrag eine umsatzsteuerpflichtige Anzahlung. Ab 2019 wird stattdessen zwischen Einzweck-Gutscheinen und Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden. Bei einem Einzweck-Gutschein liegen bereits bei dessen Ausstellung alle Informationen vor, die benötigt werden, um die umsatzsteuerliche Behandlung der Umsätze mit Sicherheit zu bestimmen. Solche Gutscheine werden dementsprechend schon bei der Ausgabe besteuert. Alle anderen Gutscheine sind Mehrzweck-Gutscheine, bei denen erst die Einlösung der Umsatzsteuer unterliegt. Die Regelung gilt ausdrücklich nicht für Coupons, die den Inhaber nur zu einem Preisnachlass berechtigen.
Elektronische Marktplätze: Künftig sollen Betreiber elektronischer Marktplätze dazu verpflichtet werden, bestimmte Daten der Verkäufer zu erfassen, um eine Prüfung der Umsätze durch das Finanzamt zu ermöglichen. Vor allem Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten verletzen auf Online-Marktplätzen häufig ihre steuerlichen Pflichten und führen für ihre Umsätze keine Umsatzsteuer ab. Zu den Daten, die die Betreiber aufzeichnen müssen, gehören Name, vollständige Anschrift und Steuernummer des Verkäufers, Versand- und Lieferadresse sowie Zeitpunkt und Höhe des Umsatzes. Die Aufzeichnungspflicht gilt ab dem 1. März 2019 für Anbieter aus Nicht-EU-Staaten und ab dem 1. Oktober 2019 auch für alle anderen Anbieter. Darüber hinaus können Betreiber für nicht entrichtete Umsatzsteuer aus dem Handel über ihre Plattform in Haftung genommen werden. Von der Haftung kann sich der Betreiber befreien, wenn er die Aufzeichnungspflichten erfüllt, eine Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des Händlers vorlegt oder steuerunehrliche Händler von der Handelsplattform ausschließt.
Elektronische Dienstleistungen: Auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen an Nichtunternehmer muss der Anbieter seit 2015 dort versteuern, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Für Existenzgründer und Kleinbetriebe bedeutet das einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Das ändert sich jetzt, denn ab 2019 gilt diese Pflicht nicht mehr, wenn der Nettoumsatz mit solchen Leistungen an ausländische Leistungsempfänger im vorangegangenen Kalenderjahr 10.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet. Kleinunternehmen mit ausschließlichem Sitz in Deutschland können daher künftig wieder alle Leistungen im Inland versteuern, unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ebenfalls im Inland ansässig ist oder nicht. Ein Verzicht auf diese Umsatzschwelle ist möglich, allerdings bindet die Verzichtserklärung das Unternehmen für mindestens zwei Kalenderjahre.
Investmentsteuerreform: Das Gesetz enthält mehrere Folgeänderungen zur Investmentsteuerreform, die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Insbesondere sollen dadurch systemwidrige Ergebnisse bei einer Organschaft vermieden werden. Die Reform sieht nämlich bei der Besteuerung der Erträge aus Fondsanteilen im Betriebsvermögen eine rechtsformabhängige Freistellung vor. Weil bei einer ertragsteuerlichen Organschaft neben Kapitalgesellschaften auch natürliche Personen Organträger sein können, sollen ab 2019 die Fondserträge nicht bei der Organgesellschaft, sondern erst auf Ebene des Organträgers berücksichtigt werden.
Betriebsrenten: Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde ab 2018 die steuerfreie Übertragung von Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung auf einen anderen Anbieter ermöglicht. Diese Änderung wird nun rückwirkend ab 2018 um eine Regelung ergänzt, die festschreibt, dass eine solche Übertragung keine schädliche Verwendung darstellt. Ohne diese Ergänzung müsste sonst bei einer Übertragung die bis dahin gewährte Förderung zurückgezahlt werden.
Verlustabzug: Zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform wurde 2008 der Verlustabzug nach dem Verkauf von Anteilen an einer Körperschaft eingeschränkt: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen, können die bis dahin aufgelaufenen Verluste anteilig nicht mehr steuerlich genutzt werden. Bei einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile gehen die Verluste sogar komplett verloren. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht teilweise als verfassungswidrig eingestuft und dem Gesetzgeber aufgetragen, bis Ende 2018 rückwirkend ab 2008 eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Das wird nun umgesetzt, indem die Regelung zum anteiligen Wegfall des Verlustabzugs in allen offenen Fällen, in denen zwischen 25 % und 50 % der Anteile übertragen wurden, für Anteilsübertragungen vor 2016 ersatzlos aufgehoben wird. Die seit 2016 geltende Gesetzesänderung zum fortführungsgebundenen Verlustabzug beseitigt die wesentlichen Kritikpunkte des Verfassungsgerichts, sodass die Regelung ab dann voraussichtlich rechtlich nicht mehr angreifbar ist. Das Bundesverfassungsgericht muss für Fälle vor 2016 allerdings noch zum zweiten Teil der Regelung entscheiden, die einen kompletten Verlustuntergang bei Übertragungen von mehr als 50 % vorsieht. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass das Verfassungsgericht auch hier Nachbesserungen vom Gesetzgeber verlangen wird.
Sanierungsklausel: Die Sanierungsklausel wurde als Nachtrag zum jetzt teilweise gestrichenen Wegfall des Verlustabzugs nach einer Anteilsübertragung geschaffen und sollte in Sanierungsfällen die negativen steuerlichen Folgen einer Anteilsübertragung ausschließen. Doch die EU-Kommission sah die Sanierungsklausel als unzulässige Beihilfe an, weshalb die Sanierungsklausel vom Gesetzgeber suspendiert wurde. Zusätzlich musste der Fiskus bereits gewährte Steuervorteile wieder zurückfordern. Nach jahrelangem Streit hat der Europäische Gerichtshof den Beschluss der EU-Kommission nun für nichtig erklärt, weil die Sanierungsklausel keinen selektiven Charakter entfalte und damit keine unzulässige Beihilfe sei. Aufgrund dieses Beschlusses wird die Suspendierung der Sanierungsklausel nun in noch offenen Fällen rückwirkend ab 2008 wieder aufgehoben.
Vorsorgeaufwendungen: Vorsorgeaufwendungen dürfen bisher nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Diese Regelung hat der Europäische Gerichtshof jedoch teilweise als unionsrechtswidrig eingestuft. Daher sollen Vorsorgeaufwendungen nun auch dann steuerlich abziehbar sein, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem EU- oder EWR-Staat bezogenem Gehalt stehen, dieses Gehalt aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei ist und der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt. Das Bundesfinanzministerium hatte bereits im vergangenen Dezember eine vergleichbare Regelung in allen noch offenen Fällen angeordnet, die mit dieser Änderung nun im Gesetz verankert wird.
Kinderzulage: Bei der Beantragung der Kinderzulage zur Riester-Rente ist ab 2020 neben den Steueridentnummern der Eltern auch zwingend die Steueridentnummer des Kindes anzugeben. Das soll den Datenabgleich zwischen der Zentralen Zulagestelle und den Familienkassen vereinfachen.