In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Große Koalition unter anderem eine grundlegende Reform der Investmentbesteuerung vereinbart. Dieses Vorhaben hat die Koalition nun in Angriff genommen und will das Gesetzgebungsverfahren dazu schon bis Mitte des Jahres abgeschlossen haben. Auch wenn die Reform vor allem für Anleger eine deutliche Vereinfachung bringen soll, ist die Materie zumindest auf Ebene der Investmentfonds äußerst komplex, und weil in- wie ausländische Fonds betroffen sind, spielt auch EU-Recht eine Rolle bei der Reform. Die Komplexität wird am Umfang des Gesetzentwurfs deutlich, der immerhin 148 Seiten stark ist.
Der Zeitplan ist daher zwar ambitioniert, es bleibt aber auch Spielraum für Verzögerungen, denn die neuen Regelungen sollen erst zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf im Februar beschlossen und an den Bundestag weitergeleitet, der Anfang Mai im Finanzausschuss eine Expertenanhörung zu dem Gesetz durchgeführt hat.
Hier ist ein erster Überblick über einige wesentliche Änderungen im Rahmen der Investmentsteuerreform. Bis das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, sind diese Punkte aber mit Vorsicht zu genießen, da sowohl Änderungswünsche des Bundesrats als auch erst im Rahmen der parlamentarischen Anhörungen erkannte Probleme noch zu deutlichen Änderungen führen können.
Vereinfachung für Anleger: Während Anleger bisher bis zu 33 verschiedene Besteuerungsgrundlagen berücksichtigen müssen, reichen künftig 4 Kennzahlen für die Steuererklärung aus, nämlich die Höhe der Ausschüttung, der Wert des Fondsanteils am Jahresanfang und am Jahresende sowie die Art des Fonds (Aktienfonds, Mischfonds, Immobilienfonds oder sonstiger Fonds).
Besteuerungssystem: Bisher werden Kapitalerträge erst auf der Ebene des Anlegers besteuert. Inländische Fonds erhalten daher Dividenden steuerfrei. Dividendenzahlungen an ausländische Fonds lösen dagegen Kapitalertragsteuer aus, was neben einer komplexeren Besteuerung aus Anlegersicht und einer Wettbewerbsverzerrung auch ein erhebliches EU-rechtliches Risiko für den deutschen Fiskus bedeutet. In erster Linie sieht der Gesetzentwurf daher vor, ein neues Besteuerungssystem für Publikums-Investmentfonds einzuführen, das wesentlich einfacher und leichter administrierbar ist. Das bisherige Besteuerungssystem wird nur noch für Spezial-Investmentfonds fortgeführt, in die grundsätzlich nur institutionelle Anleger investieren dürfen.
Publikumsfonds: Künftig gilt für inländische und ausländische Investmentfonds unterschiedslos auf Fondsebene eine Körperschaftsteuer von 15 %, soweit Deutschland für die jeweiligen Einkünfte ein Besteuerungsrecht zusteht. Ausnahmen davon gibt es bei gemeinnützigen Anlegern (Stiftungen und Kirchen) sowie für Fonds, die Anteile für zertifizierte Altersvorsorgeverträge halten (Riester- und Rürup-Rente). Damit es beim Anleger zu keiner Doppelbesteuerung kommt, wird die steuerliche Vorbelastung auf Fondsebene sowie die fehlende Anrechnungsmöglichkeit für ausländische Steuern durch eine Teilfreistellung von Ausschüttungen kompensiert. Für Privatanleger sollen bei Aktienfonds 30 % der Ausschüttungen steuerfrei sein, bei Immobilienfonds 60 % oder sogar 80 % bei vorwiegend ausländischen Immobilien, und bei Mischfonds mit geringerem Aktienanteil 15 %. Für Fondsanteile im Betriebsvermögen gibt es teilweise deutlich höhere Freistellungssätze.
Bestandsschutz: Veräußerungsgewinne aus Fondsanteile, die vor 2009 erworben wurden, waren bisher grundsätzlich steuerfrei. Diese Steuerfreiheit wird nun zeitlich so eingeschränkt, dass nur noch Wertveränderungen steuerfrei sind, die bis zum 31. Dezember 2017 entstehen. Wertveränderungen, die ab dem 1. Januar 2018 entstehen, sind dagegen steuerpflichtig, soweit der Gewinn aus dem Verkauf von Altanteilen mehr als 100.000 Euro beträgt. Für Kleinanleger bedeutet das faktisch weiterhin einen zeitlich unbegrenzten Bestandsschutz.
Streubesitz-Verkäufe: Es ist eine alte Forderung der Länder, neben der bereits eingeführten Steuerpflicht für Streubesitzdividenden auch Veräußerungsgewinne zu besteuern. Ursprünglich sollte mit dem Gesetz daher für Unternehmen eine Steuerpflicht für Gewinne aus dem Verkauf von Streubesitzanteilen (Beteiligung unter 10 %) eingeführt werden. Die Bundesregierung ist aber gegen eine solche Besteuerung, um die Finanzierung von Existenzgründern und jungen Firmen nicht zu gefährden. Das Vorhaben ist deshalb wieder aus dem Gesetz gestrichen worden. Der Bundesrat drängt jedoch weiterhin auf die Wiederaufnahme der Streubesitzbesteuerung, auch um Steuergestaltungen einen Riegel vorzuschieben.
Cum/Cum-Geschäfte: Zu den Steuergestaltungen, die unterbunden werden sollen, gehören die Cum/Cum-Geschäfte (nicht zu verwechseln mit Dividendenstripping, das auch als Cum/Ex-Geschäft bekannt ist). Damit können Steuerausländer und inländische Körperschaften durch den Verkauf von Aktien vor dem Dividendenstichtag die Besteuerung vermeiden. Zwar werden die Dividenden beim Käufer besteuert, der Verlust aus dem Verkauf der Aktie nach dem ausschüttungsbedingten Kursrückgang kann aber mit der erzielten Dividende verrechnet werden, sodass die einbehaltene Kapitalertragsteuer an den Käufer erstattet werden muss. Der Käufer verkauft die Aktien nach dem Kursrückgang wieder an den ursprünglichen Eigentümer und beide teilen sich die Steuerersparnis. Dieses Steuersparmodell soll durch einen Mindesthaltezeitraum von 45 Tagen innerhalb von 91 Tagen rund um den Dividendentermin ausgehebelt werden. Allerdings wird dieser Plan heftig kritisiert, denn er verhindert nicht alle Steuergestaltungen mit Cum/Cum-Geschäften, schafft neue Gestaltungsmöglichkeiten und belastet Unternehmen mit berechtigten wirtschaftlichen Gründen für einen kurzfristigen Aktienbesitz. Kleinanleger immerhin bleiben verschont, denn die Mindesthaltedauer gilt nur bei Dividendenerträgen von mehr als 20.000 Euro jährlich. Allerdings soll die Änderung im Gegensatz zu den sonstigen Regelungen der Investmentsteuerreform schon rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 gelten.