BVG-Urteil zur Rentenbesteuerung könnte Haushalt sprengen

Bundesregierung hofft auf lange Übergangsfristen

Am Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe mit seiner Entscheidung zur Rentenbesteuerung ein Urteil verkünden, das den Bundeshaushalt mit Milliardensummen belasten könnte. Das Gericht könnte nach der Meinung zahlreicher Experten und Politiker verlangen, dass künftig Renten ebenso wie Beamtenpensionen besteuert werden müssen und die Rentenbeiträge dafür steuerfrei bleiben. Im Haus von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hofft man nun auf lange Übergangsfristen, falls das Gericht solch eine weitreichende Reform einfordern sollte. Mit welchen zusätzlichen Belastungen die Rentner dann rechnen müssen, ist allerdings völlig offen.

Ein Beamter im Ruhestand hatte das Verfahren ins Rollen gebracht, weil seiner Ansicht nach die unterschiedliche Besteuerung von Pensionären und Rentnern gegen das Grundgesetz verstößt. Nach den jetzt geltenden Regeln müssen Pensionäre ihre Altersbezüge bis auf einen jährlichen Freibetrag von rund 3000 Euro voll versteuern. Dagegen werden die Altersbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur minimal besteuert. Dieser Unterschied rührt daher, dass Renten steuersystematisch als Rückzahlungen eigener Leistungen aus bereits versteuerten Beiträgen betrachtet werden, während Pensionen Leistungen des Staates an seine Beamten sind und deshalb versteuert werden müssen.

In der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober vergangenen Jahres wurde die Schieflage bei der unterschiedlichen Besteuerung von Altersbezügen deutlich. Der vom Gericht bestellte Gutachter, der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup, bezeichnete das System der Rentenbesteuerung, bei dem die eingezahlten Beiträge zum Teil steuerfrei bleiben und nur der daraus erwirtschaftete Ertrag später bei der Rente besteuert wird, als "weltweites Unikat" und als "Steuerchaos". Rürup plädierte deshalb für einen "Regimewechsel", bei dem Sozialrenten künftig ebenso wie Pensionen nachgelagert versteuert werden und die Rentenbeiträge unversteuert bleiben.

Ob das BVG dem Vorschlag des "Wirtschaftsweisen" folgt, ist allerdings offen. Das Gericht hatte zwar bereits 1980 und 1992 die Beseitigung bestehender Ungleichheiten eingefordert, jedoch offen gelassen, ob das nicht auch durch höhere Pauschalen oder Freibeträge für Pensionäre ermöglicht werden könnte.

Ein Systemwechsel gilt im Bundesfinanzministerium zwar als sauberste Lösung. Doch dafür fehlt derzeit das Geld. Die Umstellung auf einen Schlag würde zu Steuerausfällen in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro führen und gilt deshalb als völlig unrealistisch. Aber selbst eine auch mehrere Jahrzehnte gestreckte Reform würde den Haushalt erheblich belasten. Der Grund: Die Rentenhöhe liegt deutlich unter der Höhe der Arbeitnehmereinkommen und deshalb spült eine Rentenbesteuerung auch weniger Geld in die Kassen des Finanzministers.

Dass Rentner bei solch einem Systemwechsel nicht völlig ungeschoren davon kommen werden, macht die Wortwahl des sozialpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, deutlich: "In der Summe" müssten Rentner "nicht mit deutlich höheren Belastungen rechnen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" vergangene Woche. Der Grünen-Finanzexperte Oswald Metzger schlug im Berliner "Tagesspiegel" vom Montag sogar vor, das Milliardenvermögen der Bundesbank anzapfen, um Steuererhöhungen und zusätzliche Lasten für Rentner zu vermeiden.

Eine hitzige Rentendebatte kurz vor den Wahlen wird das Gericht aber weder der Bundesregierung noch der Opposition bescheren wollen. Insider rechnen deshalb auch damit, dass die Verfassungshüter dem Gesetzgeber eine mehrjährige Frist für die Ausarbeitung der Reform der Rentenbesteuerng einräumen werden. Deren Umsetzung könnte dann allerdings Jahrzehnte in Anspruch nehmen.



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